Aktuelles Erbrecht - Dr. Stefan Günther Fachanwalt Frankfurt:

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Berliner Testament und Freistellungsklausel

Im Regelfall ist die letztwillige Verfügung nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten bindend, sofern als Schlusserben die gemeinsamen Kinder eingesetzt sind (§ 2270 Abs. 2 BGB). Das OLG Bamberg hatte den Fall zu entscheiden, Az: 4 W 105/15, vom 06.11.2015, dass der Ehemann nach dem Tod seiner Frau eine andere Erbfolge treffen wollte als ursprünglich vorgesehen. Hierbei hatte er ingesamt zwei Änderungen vorgenommen, jeweils zeitversetzt.

Die Formulierung der Freistellungsklausel im Lichte von § 2270 Abs. 2 BGB

Diese Berechtigung leiteten die von ihm begünstigten Erben aus einer Klausel ab, die im ehemals gemeinschaftlichen Testament aufgenommen war. Deren Wortlaut war folgenden Inhalts:
„ Die Verfügungsgewalt über das gemeinsame Vermögen soll der überlebende Ehegatte haben“.
Das OLG Bamberg sah darin keine Befreiung von der Bindungswirkung im Sinne von § 2270 Abs. BGB, die als Auslegungsregel zu beachten ist.

Insbesondere wurde bezüglich der Klausel der Ehegatten verneint, dass diese eine von der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB abweichende Testiermöglichkeit eröffnen würde. Die Formulierung habe lediglich einen klarstellenden Charakter, demnach der überlebende Ehegatte tatsächlich Vollerbe werden soll (So auch OLG Düsseldorf FamRZ 2015, 879). Eine Ausnahme im Hinblick auf eine Freistellung des Überlebenden von der Wirkung des § 2270 Abs. 2 BGB sei dies aber nicht. Da das Gericht bei dem Versuch der Auslegung im Sinne von §§ 133, 157 BGB auch keine weiteren Anhaltspunkte gefunden hat, die auf einen abweichenden Willen schließen lassen würden, blieb es bei der Regelvermutung des § 2270 Abs. 2 BGB.

Um Zweifelsfälle zu vermeiden, ist eine mögliche Freistellung nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatte eindeutig abzufassen. Aus dieser muss klar hervorgehen, dass eine völlige Testierfreiheit des Überlebenden gewollt ist. Ob damit letztendlich nicht Sinn und Zweck des Berliner Testaments als bindende Testamentsgestaltung auf „den Kopf“ gestellt wird, ist dabei eine ganz andere Frage. Andernfalls bleibt es, so das OLG Bamberg in seiner Entscheidung, bei dem Erfahrungssatz des § 2270 Abs. 2 BGB, dass bei gleichzeitiger Schlusserbeneinsetzung durch beide Ehegatten, deren Vermögen auf die gemeinsamen Kinder übergehen soll (Ebenso OLG München NJW RR 2011, 1020).

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