Wiederverheiratung – Bindung bei Erbvertrag und Berliner Testament

Nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten oder eines durch Erbvertrag verpflichteten Partners tritt in beiden Fällen (Berliner Testament oder Erbvertrag) eine Bindungswirkung ein. Die letztwillige Verfügung kann ab diesem Zeitpunkt nicht mehr einseitig widerrufen werden (§ 2271 Abs. 2 BGB). Das bedeutet, dass die gemeinsam verfasste letztwillige Verfügung bezüglich der Schlusserbfolge auch im Falle einer Wiederverheiratung nicht mehr abgeändert werden kann. Die gemeinsamen Kinder oder auch mögliche Vermächtnisnehmer bleiben dann ohne Weiteres in ihrer erbrechtlichen Warteposition. Denn der künftige Erblasser ist nunmehr nicht allein hinsichtlich seiner Testierfähigkeit eingeschränkt, d.h. er kann ohne weitere Schritte zu unternehmen, keine neue letztwillige Verfügung mehr errichten. Er ist auch in seiner lebzeitigen Verfügungsfreiheit insoweit eingeschränkt, als er ab dann keine Schenkungen aus dem künftigen Nachlass vornehmen darf. Lediglich die Verfügungen sind noch möglich, bei denen ein „lebzeitiges Eigeninteresse“ vorhanden und dokumentiert ist – gleich, ob eine Wiederverheiratung erfolgt ist oder nicht. Das ist z.B. dann anzunehmen, wenn die Übertragung von Vermögen gegen in Erwartung  künftiger Pflege oder Betreuung erfolgt.

Fall der Wiederverheiratung

Was aber gilt, wenn sich eine andere Konstellation ergibt, als die, die mit dem Erbvertrag bzw. Berliner Testament geregelt werden sollte ? Von besonderem Interesse ist hier die mögliche Wiederverheiratung oder überhaupt die Eheschließung, wenn zuvor mit einem Lebensgefährten einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein Erbvertrag vereinbart war.

Um die Testierfreiheit wieder zu erlangen, aber auch um die Sperrwirkung für lebzeitigen Verfügungen (Schenkungen) des § 2287 BGB zu beseitigen, sollte innerhalb eines Jahres die Anfechtung der ehemals gemeinsamen Verfügungen durch notariell beurkundete Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht erfolgen (§§ 2281, 2282 BGB). Grund für die Beseitigung können Irrtum oder Unkenntnis über die Person eines Pflichtteilsberechtigen sein (§§2078, 2079 BGB). Letzteres trifft auf den neuen regelmäßig Ehegatten zu. Zur Minimierung etwaiger künftiger erbschaftsneuerlicher Belastungen und etwaiger Pflichtteilsansprüche der leiblichen Kinder sollte überdies an die vorzeitige Regelung möglicher Zugewinnausgleichsansprüche des neuen Ehegatten gedacht werden.

Derlei nachteilige Folgen für die ehemals als Schlusserben eingesetzten Kinder lassen sich nur durch eine sog. Wiederheiratungsklausel verhindern, die aber schon in die ursprüngliche gemeinsame Verfügung mit dem ehemaligen Ehegatten oder Partner des Erbvertrages zu implementieren ist.

Aktuelle Rechtsprechung zur Anfechtung gem. § 2079 BGB im Fall der Wiederverheiratung

KG Berlin vom 10.11.2015, Az: 6 W 54/15, MDR 2016, 217

OLG Schleswig-Holstein, vom 07.12.2015, Az: 3 Wx 108/15, NJW 2016, 1831-1833

 

 

 

 

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Dr. Stefan Günther

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