Testierunfähigkeit und Feststellungslast im Erbscheinsverfahren

Nach der gesetzlichen Definition liegt die Testierunfähigkeit gem. § 2229 Abs. 4 BGB vor, wenn der Erblasser aufgrund einer krankhaften Störung seiner Geistestätigkeit nicht in der Lage ist, wirksam ein Testament zu errichten. Vor diesem Hintergrund drängen sich für die Beweisführung vor allem zwei Fragen auf, die das OLG Köln in seiner Entscheidung vom 19.08.2016, Az: I-2 Wx 209/16, aufgegriffen hat:

Wer hat die Feststellungslast bei Behauptung der Testierunfähigkeit im Erbscheinsverfahren ?
Inwieweit gilt der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme für den Nachweis der Testierunfähigkeit ?
Kritik an der Entscheidung des OLG Köln 19.08.2016, Az: I-2 Wx 209/16

Wer hat die Feststellungslast bei Behauptung der Testierunfähigkeit im Erbscheinsverfahren ?

Im Erbscheinsverfahren wird die Frage der Testierunfähigkeit grundsätzlich von Amts wegen geprüft, sofern dafür Anhaltspunkte bestehen (§§ 26 FamFG). Gleich ob im Erbscheinsverfahren oder im ordentlichen Zivilprozess stellt diese Behauptung eine rechtsvernichtende Einwendung dar. Es trifft denjenigen die Feststellungslast, der sich darauf beruft. Hierfür kommt ein aussagefähiges Sachverständigen-Gutachten in Betracht, das retrospektiv den angegebenen Geisteszustand des Erblassers bejaht. Die vom Nachlassgericht eingeholten schriftlichen Aussagen von Zeugen sind in diesem Zusammenhang unergiebig, so das OLG Köln.

Inwieweit gilt der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme für den Nachweis der Testierunfähigkeit ?

Für die Beantwortung dieser Frage ist in jedem Falle ein Sachverständiger hinzuzuziehen. Für die Überprüfung deren Aussagekraft und Beweiswürdigung der vom Sachverständigen berücksichtigten Zeugenaussagen ist jedoch alleine das Gericht zuständig. Die Vernehmung von Zeugen durch den Sachverständigen genügt nach Auffassung des OLG Köln der Anforderung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisführung durch das Gericht nicht.

Kritik an der Entscheidung des OLG Köln
Grundsätzlich ist dem OLG Köln in seinen Ausführungen zuzustimmen. Allerdings verkennt das Gericht die herausgehobene Bedeutung des Amtsermittlungsgrundsatzes gem. § 26 FamFG für das Nachlassgericht im Erbscheinsverfahren, das den zivilprozessualen Grundsatz der Feststellungslast einschränkt. So kann es sein, dass im Erbscheinsverfahren eine Partei zwar die näheren Umstände und Vermutungen für eine Testierunfähigkeit auszuführen vermag. Es ihr aber gleichwohl nicht möglich ist, spezifischere Beweismittel aufzuführen. So z.B., wenn der Erblasser unmittelbar vor der Errichtung des Testaments im Sinne von § 1896 BGB gesetzlich betreut wurde. Hier wird ihm die Möglichkeit fehlen, mit dem wichtigen Gutachten des Betreuungsgerichts seinen Vortrag zu substantiieren.

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Dr. Stefan Günther

Rechtsanwalt &

Fachanwalt für Erbrecht

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