Bundesgerichtshof – Erbschein nicht mehr erforderlich ?

Erbschein ohnes Ende – mit seiner aktuellen Entscheidung vom 05.April 2016, Az: XI ZR 440/15, stellt der Bundesgerichtshof die Existenz eines Erbscheines für den Nachweis der Erbfolge ernsthaft in Frage. Bislang war der Erbschein gem. § 2353 BGB unabdingbare Notwendigkeit, um das Erbe antreten zu können. Gerade Banken bestanden auf die Vorlage dieser Urkunde, der das sog. Erbscheinsverfahren vorausgeht und mit zum Teil erheblichen Kosten verbunden ist. Je nach Wert des Nachlasses können da schon mehrere Tausend Euro anfallen. Daneben sind erhebliche zeitliche Einbußen in Kauf zu nehmen, was besonders in Gewicht fallen kann. Nämlich dann, wenn der Verkauf einzelner Vermögensgegenstände (z.B. Wertpapiere, Aktien, etc.) aus der Erbmasse zur Vermeidung von Wertverlusten angezeigt wäre, der Erbschein aber noch nicht vorliegt. Ist eine größere Anzahl an Erben vorhanden, die jeweils an verschiedenen Wohnorten ansässig sind, können die zeitlichen Verzögerungen um so mehr an Bedeutung erlangen.

Auch handschriftliches Testament genügt als Erbnachweis
Mit der Entscheidung vom 05. April 2016 lässt der Bundesgerichtshof, unter Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung, nunmehr sogar ein einfaches handschriftliches Testament als Erbnachweis gelten, ohne dass es der zusätzlichen Dokumentation durch einen Erbschein im Sinne von § 2353 BGB bedarf. Der streitgegegenständliche Fall, der vom Bundesgerichtshof zu entscheiden war, betraf zwei leibliche Kinder. Beide waren von den Eltern, nach dem Tod des letztverstrebenden Elternteils, im Rahmen eines sog. Berliner Testaments als Schlusserben eingesetzt. Unter Vorlage des handschriftlichen Testaments wollten beide Erben gegenüber der Bank ihr Vermögen antreten und das Erbe teilen. Die betroffene Bank weigerte sich jedoch – unter Hinweis auf den fehlenden Erbschein – das Erbe auszuzahlen. Beide Erben beantragten daraufhin vor dem zuständigen Nachlassgericht einen Erbschein gem. § 2353 BGB und verlangten die dabei angefallenen Gerichtskosten von der Bank als Schadensersatz zurück. Ihrer Ansicht nach sei der Erbschein auch im Falle des handschriftlichen Testaments unnötig, zumindest dann, wenn die Erbfolge völlig eindeutig sei. Dieser Ansicht hat der Bundesgerichtshof in letzter Instanz stattgegeben. Der Bundesgerichtshof setzt mit der Entscheidung vom 05. April 2016 seine Linie fort, nach der es nur noch in ganz bestimmen Fällen eines Erbscheines bedarf. Bereits mit der Entscheidung vom 07. Juni 2005, Az: XI ZR 311/04, wurde ein notarielles Testament als ausreichend für den Erbnachweis angesehen.

Zusammenfassung – Nachweis der Erbfolge ohne Erbschein

Liegt ein notarielles Testament vor, genügt dies als Erbnachweis. Auch bei einem handschriftlichen letztwilligen Verfügung verhält es sich nunmehr nicht anders, sofern die mögliche Erbfolge völlig eindeutig ist, d.h. z.B. nur ein Testament mit eindeutigem Wortlaut vorliegt. Eines Erbscheins und des dazu gehörenden besonderen Verfahrens vor dem Nachlassgericht wird es nur in den Fällen noch bedürfen, bei denen die Erbfolge unklar ist (z.B. wegen mehrerer Testamente oder Zweifeln an der Testierfähigkeit).

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Dr. Stefan Günther

Rechtsanwalt &

Fachanwalt für Erbrecht

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